Sternengeschichten Folge 635: Wie zerstört man einen Planeten?

Der Weltuntergang ist schwerer als man denkt

Sternengeschichten Folge 635: Wie zerstört man einen Planeten?

Das Wort "Weltuntergang" taucht immer wieder mal auf. Man findet es in den Prophezeiungen von Religionen und in jeder Menge Verschwörungstheorien. Es wird aber auch im wissenschaftlichen Zusammenhang verwendet, zum Beispiel wenn es um die Folgen der Klimakatastrophe geht. Aber was wir da eigentlich so gut wie immer meinen, ist nicht die Zerstörung der Welt, sondern die Zerstörung unserer Welt. Die Klimakrise zum Beispiel hat das Potenzial, die Lebensbedingungen für uns Menschen und für sehr viele andere Lebewesen auf der Erde zu zerstören. Dem Planeten selbst ist das aber egal; die Erde stört sich nicht daran, ob sie heiß oder kalt ist oder ob auf ihr etwas lebt oder nicht. Und wie man alles Leben auf der Erde auslöschen könnte, habe ich ja schon in Folge 532 erklärt - und damals übrigens nicht, weil ich irgendwelchen irren Superbösewichten eine Anleitung geben wollte, sondern weil es durchaus sinnvoll ist, wenn man versteht, welche Ereignisse und Vorgänge theoretisch dazu führen könnten, dass das gesamte Leben auf einem Planeten verschwindet.

Aber eben nicht der Planet selbst. Und das ist es, worum es heute gehen soll: Wie kriegt man einen Planeten kaputt? Kann nicht nur das Leben auf der Erde ausgelöscht, sondern unser ganzer Planet zerstört werden? Ja, das geht - und bevor ich erkläre, wie das funktioniert, sage ich sicherheitshalber gleich dazu, dass es absolut völlig unwahrscheinlich ist, dass irgendeiner der Prozesse, die ich im folgenden erklären werde, auf beziehungsweise mit der Erde passieren werden. Niemand muss sich Sorgen machen!

Also: Wie zerstört man einen Planeten? Na ja, "man" tut das sowieso nicht. Wir Menschen würden es zwar hinkriegen, die Erde völlig lebensfeindlich zu machen, aber den Planeten selbst kriegen wir nicht kaputt. Vielleicht können wir in ferner Zukunft, mit irgendeiner Science-Fiction-Technik, Planeten zerlegen und die Rohstoffe nutzen. Aber darüber rede ich jetzt nicht. Die Frage lautet: Gibt es irgendwelche natürlich auftretenden Prozesse, die in der Lage sind, einen Planeten zu zerstören. Und die Antwort lautet: Ja, sogar einige!

Wenn es um astronomische Katastrophen geht, dann sind Asteroideneinschläge ja sehr populär. Aber die stören einen Planeten in seiner Gesamtheit nicht. Ja, ein Asteroid, der groß genug ist, kann ein Massensterben verursachen oder vielleicht sogar das gesamte Leben auslöschen. Aber aus Sicht des Planeten ist trotzdem nicht viel passiert. Der Planet hat dann halt einen Krater mehr; sowas passiert im Laufe der Zeit, das ist ganz normal. Will man einen Planeten wie unsere Erde durch eine kosmische Kollision zerstören, dann muss man die wirklich großen Geschütze auffahren. Und "wirklich groß" heißt hier wirklich wirklich groß. Vereinfacht gesagt: Um einen Planeten zu zerstören, muss er mit etwas kollidieren, was ungefähr so groß ist, wie er selbst.

Das können wir an der Erde recht gut sehen. In der Frühzeit des Sonnensystems, vor 4,5 Milliarden Jahren, als die Planeten gerade dabei waren zu entstehen, ist die noch unfertige Erde mit einem anderen unfertigen Himmelskörper kollidiert, der ungefähr so groß war wie der Mars. Ich habe von dieser planetaren Kollision ausführlich in Folge 149 erzählt. Wenn zwei solche großen Himmelskörper zusammenstoßen, ist das natürlich nicht Nichts. Da passiert schon was. Die Erde hätte das ganze fast nicht überlebt, der andere Himmelskörper ist komplett zerstört worden und aus den Trümmern der Kollision ist unser Mond entstanden. Aber auch wenn die Erde ziemlich gelitten hat, hat sie den Zusammenstoß trotzdem überlebt. Oder anders gesagt: Selbst wenn wir es irgendwie schaffen könnten, den Mars auf die Erde zu werfen, würde unser Planet das vermutlich überleben. Da müssten wir schon mit der Venus ankommen, denn die ist ziemlich so groß wie die Erde selbst. Aber das wird nicht passieren. Weder Mars, noch Venus noch irgendein anderer Planet des Sonnensystems verlässt einfach so seine Umlaufbahn und fliegt auf die Erde zu. Die Planeten bewegen sich seit Milliarden Jahren auf ihren Bahnen und werden das auch weiterhin tun. Aber, wie schon angedeutet, in der Frühzeit eines Planetensystems kann das anders sein. Da bilden sich haufenweise große und kleine junge Planeten und es ist einfach nicht für alle Platz. Einige werden kollidieren und einige werden dabei auch zerstört. Im Sonnensystem gehört die Erde zu den Überlebenden, aber viele Planeten sind vor 4,5 Milliarden Jahren zerstört worden und werden das ständig überall im Universum, wo gerade Planeten dabei sind zu entstehen.

Kann es aber nicht auch sein, dass ein Planet von außerhalb des Sonnensystems kommt und auf die Erde prallt? Theoretisch ja. Denn in der wilden Frühzeit eines Planetensystems werden eben nicht nur Planeten zerstört, sondern manche auch aus ihren Systemen geworfen. Wir haben auch schon einige dieser "vagabundierenden Planeten" entdeckt, die frei von ihrem Stern durchs Weltall fliegen. Aber der Weltraum ist so absurd groß. Und es wäre ebenso absurd unwahrscheinlich, dass einer davon gerade auf die Erde trifft.

Immer noch sehr, sehr unwahrscheinlich, aber zumindest ein klein wenig weniger unwahrscheinlich ist es, dass sich zwei Sterne sehr nahe kommen. So nahe, dass die Gravitationskraft des einen, die Umlaufbahnen der Planeten des anderen stört und es dann zu Kollisionen kommt.

Wenn ein Planet - sofern er die frühe Phase seiner Entstehung überlebt hat - vor etwas Angst haben muss, dann sind das nicht andere Planeten. Sondern eher die Sterne, und vor allem den Stern, den er selbst umkreist. Unsere Sonne ist ein vergleichsweise braver Stern. Sie leuchtet seit 4,5 Milliarden Jahren vor sich hin und wird das auch noch 5 bis 6 Milliarden Jahren tun. Dann aber ist sie am Ende ihrer Entwicklung angekommen und aus dem kleinen gelben Stern wird ein roter Riese werden - auch davon habe ich in anderen Folgen der Sternengeschichten ja schon oft ausführlich erzählt. Das bedeutet: Die Sonne bläht sich auf und zwar so sehr, dass sie über die Umlaufbahn von Merkur und Venus hinaus wachsen wird. Das ist ein Prozess, der diese beiden Planeten zerstören wird und ob die Erde ihr Schicksal teilen wird, wissen wir noch nicht. Es kann sein, dass die sterbende Sonne sich bis zur Erdbahn und darüber hinaus aufbläht. Es kann aber auch sein, dass die Erde verschont bleibt. Ein Stern, der zu einem roten Riesen wird, ist aber definitiv ein Vorgang, der dazu geeignet ist, einen Planeten zu zerstören.

Wovor man sich als Planet ebenfalls in Acht nehmen sollte, sind Gezeiten. Damit sind nicht unbedingt Ebbe und Flut gemeint, obwohl der Prozess der gleiche ist. Auf der Erde haben wir die Gezeiten, weil die Gravitationskräfte von Sonne und Mond an unterschiedlichen Orten der Erdoberfläche leicht unterschiedlich stark wirken. Das gilt aber immer: Ein Planet, der einen Stern umkreist, spürt dessen Gravitation auf der dem Stern zugewandten Seite stärker als auf der anderen Hälfte. Normalerweise ist das dem Planeten egal. Die Unterschiede sind gering und so ein Planet ist ja nicht aus Pappe - sondern ein solider Himmelskörper aus Metall und Gestein. Der hält einiges aus.

Sollte ein Planet aber seinem Stern sehr nahe, also wirklich nahe, dann können die Gezeiten durchaus einen Effekt haben. Dann kann der Unterschied zwischen der Stärke der Gravitationskraft an unterschiedlichen Seiten des Planeten so groß sein, dass er regelrecht auseinander gerissen wird. Das gilt noch mehr, wenn es sich um einen Planeten handelt, der keinen normalen Stern umkreist, sondern ein extrem dichtes Objekt wie ein schwarzes Loch oder einen Neutronenstern.

Natürlich ist das mit der Gezeitenkraft auch nicht so einfach, wie es klingt. Ein Stern denkt sich ja nicht: So, jetzt geht mir der Planet auf die Nerven, jetzt dreh ich die Gezeitenkraft auf und zerreiß den Planeten! Auch hier müsste sich ein Planet ja irgendwie so sehr dem Stern annähern, dass er irgendwann die Gezeitenkraft nicht mehr aushält. Und das passiert nicht von selbst. Aber es kann passieren. Ich will hier jetzt keine komplette Vorlesung über die Dynamik von Planetensystem halten. Aber es ist möglich, dass Planetenbahnen im Laufe der Zeit degenerieren. Das heißt, dass sie immer näher an den Stern rücken und verantwortlich dafür kann zum Beispiel die gravitative Wechselwirkung mit einem anderem Planeten sein. Wenn beide sich in einer besonderen Konfiguration befinden - einer Resonanz - kann einer davon langsam immer näher an den Stern rücken, bis er durch die Gezeitenkraft zerstört wird.

Oder aber, ein Planet zieht einfach friedlich seine Runden, bis der Stern den er umkreist, sein Leben nicht in Form eines roten Riesen beendet, sondern bei einer Supernova-Explosion. Wenn der Planet nahe genug dran ist, dann überlebt er diese Mega-Explosion nicht und ist direkt zerstört. Aber auch wenn er weit genug entfernt ist, um diese erste Katastrophe zu überstehen, bekommt er es danach mit dem Neutronenstern oder dem schwarzen Loch zu tun, dass bei so einer Supernova-Explosion übrigt bleibt. Und den geänderten Gezeitenkräften, die dann wirken.

Noch blöder kann es laufen, wenn wir es nicht mit einer Supernova-Explosion zu tun haben, sondern einem Gamma-Ray-Burst. Von diesen Ereignissen, die auch Gammablitze genannt werden, habe ich in Folge 42 mehr erzählt. Aber kurz gesagt: Es sind die größten Explosionen die das Universum zu bieten hat und sie entstehen, wenn sehr, sehr große Sterne ihr Leben beenden, oder wenn zwei Neutronensterne kollidieren. Welche Planeten da auch immer davor da waren, sind es danach nicht mehr. Und das gilt auch für die Planeten, die sich in der Nachbarschaft befinden. Genau kann man es nicht sagen, aber man schätzt, dass alle Planeten, die sich im Umkreis von 100 bis 200 Lichtjahren von einem Gammablitz befinden und direkt von der Explosion getroffen werden, das nicht überleben und regelrecht verdampft werden.

Und wer sich jetzt doch Sorgen macht: Im entsprechenden Umkreis der Sonne kennen wir keinen Stern, der in der Lage wäre, einen Gammablitz zu produzieren.

Man könnte sich vermutlich noch ein paar exotischere Prozesse ausdenken, mit denen man einen Planeten kaputt kriegt. Aber im Wesentlichen war es das. Wer einen Planeten zerstören will, muss entweder einen anderen, ebenso großen Planeten drauf werden. Oder dafür sorgen, dass er von einem Stern verschlungen wird. Oder ihn so nahe an einen Stern schieben, bis er zerissen wird. Oder ihn mit einem Gammablitz verdampfen.

Im Großen und Ganzen sind Planeten aber zählebig. Unsere Erde zum Beispiel hat gute Chancen, den Tod der Sonne zu überleben. Wenn die vom roten Riesen zu einem toten weißen Zwerg geworden ist, kann die Erde immer noch ihre Runden ziehen, jetzt eben ohne Licht und Wärme. Es könnte Billionen Jahre oder noch länger dauern, bis die Erde irgendwann doch noch zerstört wird. Wir sind dann aber natürlich schon längst weg. Also machen wir das beste aus der kurzen Zeit, die wir mit unserem Planeten haben.