Sternengeschichten Folge 541: Der Jupitermond Ganymed

Der echte Supermond

Sternengeschichten Folge 541: Der Jupitermond Ganymed

Das Inventar unseres Sonnensystems ist groß. Neben der Sonne selbst und den acht Planeten gibt es ja noch ein paar hundert Monde - und von den Billionen Asteroiden und Kometen fange ich gar nicht erst an. Die meisten Monde finden sich bei den beiden größten Planeten Jupiter und Saturn. Und der größte Planet beherbergt auch den größten Mond des Sonnensystems: Ganymed.

Sein Durchmesser beträgt 5262 Kilometer. Damit ist er deutlich größer als der Mond der Erde, der es nur auf einen Durchmesser von 3476 Kilometer bringt. Ganymed ist sogar noch größer als Merkur, der einen Durchmesser von 4880 Kilometer hat. Würde Ganymed nicht den Jupiter umkreisen sondern alleine seine Runden um die Sonne ziehen, würde niemand auf die Idee kommen, ihn nicht als Planet zu bezeichnen. So aber ist er ein Mond, deswegen aber nicht weniger spannend.

Entdeckt wurde Ganymed im Jahr 1610 von Galileo Galilei, zusammen mit Kallisto, Europa und Io, den restlichen großen Monden des Jupiter, die wir heute deswegen auch die "galileischen Monde" nennen. Unabhängig und fast zeitgleich wurden die Monde auch vom deutschen Astronom Simon Marius gefunden und von Marius stammen auch die Namen. "Ganymed" ist eine Figur aus der griechischen Mythologie; er war ein Hirtenjunge, der von Zeus in den Olymp entführt wurde, wo er ewig leben und den Göttern dienen sollte; und als Geliebter von Zeus. Ganymed ist übrigens auch der einzige Jupitermond, der nach einem Mann benannt worden ist, aber wir wollen uns diesmal nicht mit Mythologie und Geschichte aufhalten, sondern lieber mit der faszinierenden astronomischen Forschung zu Ganymend weitermachen.

Fangen wir mit der Bewegung an. Ganymed umkreist den Jupiter in einem Abstand von etwas mehr als einer Million Kilometer auf einer fast kreisförmigen Bahn die auch so gut wie nicht gegenüber der Äquatorebene des Jupiter geneigt ist. Geht man von Jupiter nach außen, dann ist Ganymed der dritte der vier galileischen Monde. Dem Jupiter am nächsten ist Io, dann kommt Europa, dann Ganymed und außen befindet sich noch Kallisto. Interessant ist der Vergleich der Umlaufzeiten der drei inneren Monde: Io braucht für eine Runde um Jupiter nur gut 1,77 Tage; Europa schafft einen Umlauf in knapp 3,55 Tagen und Ganymed macht eine Runde in circa 7,16 Tagen. Oder anders gesagt: Während Ganymed einen Umlauf um Jupiter macht, macht Europa genau zwei Runden und Io legt vier Runden zurück. Die drei Monde befinden sich also in einer "Resonanz der mittleren Bewegung" wie es offiziell heißt. Wie es genau dazu gekommen ist, ist noch unklar. Wir wissen, dass solche Resonanzen sehr stabil sein können; wenn sich Himmelskörper einmal so arrangiert haben, dann neigen sie dazu, auch in so einer Konfiguration zu bleiben. Vielleicht hat alles mit Io, dem innersten großen Mond angefangen, der - so wie unser Mond bei der Erde - Gezeiten auf Jupiter verursacht. Das führt, wieder so wie auch beim Mond der Erde, dazu, dass sich Io ein wenig von Jupiter entfernt hat (das liegt an der Drehimpulserhaltung, aber das will ich jetzt nicht im Detail erklären). Irgendwann hat der Abstand genau gepasst, so dass Io in einer 2:1 Resonanz mit Europa gelandet ist. Ab diesem Zeitpunkt haben sich beide Umlaufbahnen gemeinsam vergrößert, bis sie in der oben beschriebenen Resonanz mit Ganymed gelandet sind.

Aber lassen wir die Bewegung mal beiseite und schauen uns an, wie Ganymed aussieht. Auf den ersten Blick ein wenig wie unser Mond: Voll mit Kratern und größeren dunklen Regionen. Im Gegensatz zum Erdmond, der mit einer dicken Schicht aus Staub bedeckt ist und eine felsige Oberfläche hat, finden wir auf Ganymed vor allem Eis. Mit dem beschäftigen wir uns später noch; jetzt schauen wir kurz auf die Krater. In den dunklen Regionen finden wir sehr viele Krater, was darauf hinweist, dass sie sehr alt sind. In den helleren Regionen sind weniger Krater zu finden; sie müssen daher jünger sein. Was es auf Ganymed auch gibt oder zumindest in der Vergangenheit gegeben hat, ist Tektonik. Der Mond hat zwar nicht so viele Kontinentalplatten wie die Erde, aber auf jeden Fall zwei davon und an ihren Rändern kann man so etwas ähnliches wie Gebirge sehen. Und wo Tektonik ist, muss es auch Vulkanismus geben und auch davon finden wir Spuren auf Ganymed. Allerdings keine Vulkane wie auf der Erde, sondern Eisvulkane. Aber wie gesagt, zum Eis kommen wir noch.

Was beim Anblick von Ganymed sofort auffällt, ist eine sehr große dunkle Region die fast ein Drittel der jupiterabgewandten Hälfte des Mondes bedeckt. Und ja, Ganymed hat eine Hälfte, die immer in Richtung Jupiter zeigt und eine von der aus man Jupiter nie sehen kann. So wie beim Erdmond haben sich auch hier Umlaufzeit und die Drehung von Ganymed um seine Achse durch die Gezeitenkräfte so aufeinander abgestimmt, dass eine "gebundene Rotation" entstanden ist. Würde man von Jupiter aus zu Ganymed schauen, würde man immer die selbe Seite sehen und niemals auf die Rückseite blicken können. Was schade ist, denn genau da befindet sich "Galileo Regio", die riesige dunkle Region von der ich vorhin gesprochen habe. Sie hat einen Durchmesser von 3200 Kilometer und ist vermutlich der älteste Teil der Oberfläche Ganymeds.

Aber jetzt schauen wir aufs Eis. Kalt genug dafür ist es auf jeden Fall; die Durchschnittstemperatur auf Ganymeds Oberfläche beträgt circa -160 Grad Celsius. Wir wissen, dass ein Großteil der Oberfläche mit Eis bedeckt ist. Und das Innere ist ebenso voll damit. Ganymed ist in der Hinsicht ein typischer Himmelskörper des äußeren Sonnensystems. Er besteht aus einer dicken Eiskruste, die über einem Mantel aus Gestein liegt. Im Gegensatz zu den kleineren Monden ist er aber groß genug um auch noch einen Kern aus Eisen zu besitzen. Dank der extrem tiefen Temperaturen ist die äußerste Eiskruste so hart gefroren wie Gestein. Aber darunter befindet sich flüssiges Wasser. Und nicht nur ein paar Pfützen sondern ein mondumspannender, extrem tiefer Ozean in dem insgesamt mehr Wasser zu finden ist als in allen Meeren der Erde.

Aber woher will man das wissen!? Wir können ja nicht durchs Eis schauen? Das nicht, aber wir können Spuren des Wassers sehen. Ich habe vorhin von Vulkanismus gesprochen und so wie auf der Erde ab und zu ein bisschen geschmolzenes Material aus ihrem Inneren an die Oberfläche gelangt, passiert das auch auf Ganymed. Nur dass dieses geschmolzene Material eben keine Lava ist, also flüssiges Gestein, sondern geschmolzenes Eis. Die Astronomie hat aber auch noch andere Methoden, um in das Innere eines Himmelskörpers zu schauen. Man kann zum Beispiel das Hubble-Weltraumteleskop nehmen und damit die Nordlichter des Ganymed beobachten. Und ja, sowas hat dieser Mond auch. Um zu verstehen, wie das funktioniert, müssen wir uns noch ein paar andere Eigenschaften anschauen.

Zum Beispiel das Magnetfeld, denn neben der Erde und dem Merkur ist Ganymed der einzige feste Himmelskörper, der ein nennenswertes eigenes Magnetfeld besitzt. Die Gesamtsituation ist trotzdem ein wenig anders, weil Jupiter zwar kein fester Himmelskörper ist sondern ein Gasplanet, aber trotzdem natürlich auch ein Magnetfeld hat, ein enorm starkes sogar, das so ausgedehnt ist, dass sich Ganymed mitten hindurch bewegt. Die beiden Magnetfelder wechselwirken also miteinander; es bildet sich ein Strahlungsgürtel um Ganymed, also ein Bereich aus magnetischen Feldlinien, in dem geladene Teilchen eingefangen werden können. Solche geladenen Teilchen können aus Jupiters Atmosphäre stammen, von der Sonne aber vor allem auch von Ganymed selbst. Denn der Mond hat eine Atmosphäre; zumindest so etwas ähnliches. Wenn zum Beispiel die Sonnenstrahlung - und da vor allem der hochenergetische Ultraviolet-Anteil - auf das Eis der Mondoberfläche fällt, dann können elektrisch geladene Sauerstoffatome aus dem Eis geschlagen werden, die sich dann in einer sehr, sehr dünnen Atmosphäre ansammeln und von dort in den Strahlungsgürtel entkommen können.

So oder so, wir haben also geladene Teilchen die im Magnetfeld von Ganymed gefangen sind und dort können die Teilchen Strahlung abgeben, die man als Polarlichter sehen kann. Beziehungswiese die das Hubble-Weltraumteleskop 2015 beobachten konnte. Obwohl Polarlichter oder Nordlichter in diesem Fall eigentlich schlechte Begriffe sind, denn im Gegensatz zur Erde ist die Aurora - wie das korrekte Wort heißt - nicht an den Polen zu sehen, sondern in zwei Bändern, die den Mond nördlich und südlich des Äquators umgeben. Die Position der Bänder ist nicht fix, sondern verändert sich, je nachdem wie sich das Magnetfeld des Jupiters gerade ändert. Was aber passiert, wenn Ganymed einen Wasserozean hat; einen Salzwasserozean um genau zu sein? Dann würde das Magnetfeld des Jupiter in dieser elektrisch leitenden Flüssigkeit ein zusätzliches Magnetfeld erzeugen, dass dem des Jupiters entgegen wirkt und die Veränderung der Aurorabänder merklich reduzieren. Und genau das hat Hubble beobachtet: Die Aurora auf Ganymed verändert sich viel weniger stark als man es erwarten würde; sie verändert sich dagegen genau so, wie sie es tun würde, wenn da ein riesiger unterirdischer Ozean existiert. Ungefähr 100 Kilometer tief, bedeckt von einer circa 150 Kilometer dicken Eisschicht.

Es ist erstaunlich, was wir schon alles über Ganymed wissen. Immerhin ist der Mond nicht gerade in der Nähe. 1973 und 1974 flogen das erste Mal Raumsonden vorbei, nämlich Pioneer 10 und 11. 1979 haben dann Voyager 1 und 2 ebenfalls bei einem Vorbeiflug Daten gesammelt. Erst 1995 haben wir Ganymed aber so wirklich erforschen können, als die Galileo-Raumsonde NICHT an Jupiter vorbei geflogen, sondern dort geblieben ist und acht Jahre lang den Planeten und seine Monde untersucht hat. Aber das ist auch schon wieder lange her und es wird Zeit, dass wir Jupiter und seinen Monden wieder mal einen Besuch abstatten. Zum Glück hat sich im April 2023 die Raumsonde JUICE genau mit diesem Ziel auf den Weg gemacht. Und wer weiß, was wir dann auf diesem faszinierenden Himmelskörper noch alles entdecken werden…