Zielvolumentraining

In dieser Folge spricht Gudrun mit Alexandra Walter, die ihre Promotion im Mai 2025 am Scientific Computing Center (SCC) des KIT in Karlsruhe abgeschlossen hat. Ihre Arbeit hat den Titel "Deep Learning for Radiotherapy: Target Volume Segmentation and Dynamical Low-Rank Training".
Ihr Forschungsprojekt bewegt sich an der Schnittstelle zwischen numerischer Mathematik und Krebsforschung. Das Thema erfordert einen Dreiklang aus Modellverständnis, der Analyse und Entwicklung geeigneter mathematischer Verfahren und dem sicheren Umgang mit medizinischen Anwendungsroutinen.
Weltweit erkranken laut WHO jährlich etwa 19 Millionen Menschen an Krebs, mehr als die Hälfte der Erkrankten überlebt diese Krankheit nicht. Während neben ungesunden Lebensgewohnheiten, wie Rauchen, Übergewicht und Alkoholkonsum auch das Erreichen eines höheren Lebensalters als Risikofaktoren für Krebs zählen, treten einige Fälle auch bereits in der Kindheit, Jugend oder während des Erwerbslebens auf. Eine Krebsdiagnose ist für die Betroffenen und ihre Angehörigen oft sehr belastend. Neben der verbesserten Früherkennung muss auch die Behandlung von Krebserkrankungen durch medizinische Forschung und Therapie kontinuierlich weiterentwickelt werden.
Ein zentrales Verfahren in der Krebsbehandlung ist die Strahlentherapie, bei der ionisierende Strahlen zur gezielten Schädigung der DNA von Tumorzellen eingesetzt werden. Von einer Bestrahlung ist oft auch das umliegende, gesunde Gewebe betroffen. Dadurch entsteht ein grundlegender Zielkonflikt, bei dem die vollständige Zerstörung des Tumorgewebe der Schonung des Normalgewebes gegenübersteht. In den vergangenen Jahren haben technische Entwicklungen erhebliche Fortschritte ermöglicht, insbesondere in der hochpräzisen Dosierung der Strahlenbehandlung und Lokalisierung von Tumor- und Normalgewebe. Computergestützte Simulationen unter Berücksichtigung individueller Anatomie, die durch Bildgebung bestimmt werden kann, spielen dabei eine zentrale Rolle – sei es in der Planungsphase oder in der Echtzeitüberwachung während der Behandlung.
Die Strahlentherapie erforderte schon immer eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit, insbesondere zwischen Medizin und Physik. In den letzten Jahrzehnten hat sich zudem die Mathematik als unverzichtbare dritte Säule etabliert. Diese Entwicklung hin zu daten- und modellgestützten Verfahren ebnete den Weg für moderne Technologien, die über klassische Ansätze hinausgehen und zunehmend auf intelligente Algorithmen setzen. In diesem Kontext gewinnt Künstliche Intelligenz (KI) zunehmend an Bedeutung und verspricht weitere Verbesserungen in der Präzision der Behandlung, da sie in der Lage ist, komplexe Zusammenhänge aus großen Datenmengen zu erkennen, individuelle Therapiestrategien zu optimieren und das Wissen erfahrener Spezialistinnen durch lernfähige Systeme abzubilden.
Künstliche neuronale Netze (Artificla Neural Networks oder ANNs) haben sich bei einer Vielzahl von medizinischen Bildsegmentierungsaufgaben als erfolgreich erwiesen, erfordern jedoch einen erheblichen Rechenaufwand und Speicherplatz zur Anpassung der Modellparameter. Die meisten dieser Parameter werden in großen Gewichts(hyper)matrizen gespeichert, die oft mehr als 99,98 % der Gesamtparameterzahl des Modells ausmachen. Um dieses Problem zu lösen, wurde vor kurzem die dynamische Low-Rank-Approximation auf die Parameteranpassung von ANN, auch bekannt als Training, angewandt. Während sich die meisten Forschungsarbeiten zum dynamischen Low-Rank-Training (DLRT) auf Galerkin-Integratoren konzentrieren, untersucht Alexandra den Einsatz einer rangadaptiven Variante des Projector-Splitting-Integrators (PSI) im Kontext von DLRT – einer Methode, die in anderen Anwendungsgebieten bereits häufig verwendet wird.
Literature and further information
Podcasts
- M. Bangert, G. Thäter: Bestrahlungstherapie, Gespräch im Modellansatz Podcast, Folge 201, Fakultät für Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2019.
- A. Sage, G. Thäter: Monte-Carlo Simulationen, Gespräch im Modellansatz Podcast, Folge 204, Fakultät für Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2019.