Risikoentscheidungen

Gudrun hat sich im Spätsommer 2018 zum dritten Mal mit Oliver Beige (@oliverbeige) in Berlin verabredet. Oliver beschäftigt sich unter anderem mit mathematischen Modellen für ökonomische Prozesse und hat neben der wissenschaftlichen Expertise auch sehr unterschiedliche praktische Erfahrungen. Der Plan für das Gespräch war, sich über Baysean Updates zu unterhalten. Kurz gesagt ist das ist eine Möglichkeit, bessere Entscheidungen mit wenigen und unsicheren Informationen zu treffen. Der Name beschreibt schon die zentrale Idee: Der Satz von Bayes wird verwendet, um die Wahrscheinlichkeit für eine Hypothese neu zu berechnen, wenn mehr Informationen verfügbar werden.

Entscheidungen unter unsicheren Informationen muss man selbst im Alltag und für die eigene Zukunft ständig treffen, weshalb sich die Hörerschaft sicher gut vorstellen kann, dass dies eigentlich eine fast unlösbare Aufgabe ist. Für Unternehmen geht es in der mittleren und Langzeitplanung darum, das Potential von Mitarbeitern und von Ideen richtig einzuschätzen. Lässt sich ein Produkt mit den eigenen Mitteln zur Marktreife entwickeln und wie wird der Markt in 5-30 Jahren dafür aussehen? Vor allem wenn es um einen Markt geht, den es noch gar nicht gibt. Ein Beispiel hierfür ist automatisiertes Fahren. Die Idee gibt es schon seit etwa 30 Jahren und auch Schritte in der Entwicklung, aber bis heute gibt es noch nichts auf dem Markt. Schon Anfang der 1990er Jahre gab es große Erwartungen, was neuronale Netze und Machine Learning hier bald leisten werden, aber diese Begeisterung war um die Jahrtausendwende schon wieder erloschen. Heute erleben die Ideen eine Renaissance, denn es gibt nun viele Daten, genug Rechenpower und ein Zusammenwirken von Statistik und Informatik ist so endlich möglich.

Damals wie heute stellt sich aber die Frage: Wie viel Geld und andere Ressourcen sollte man einsetzen und zu welchem Zeitpunkt endgültig entscheiden, sich ganz hinter das neue Produkt zu stellen oder die Pläne ad acda zu legen. Der Versuch, hierfür Modelle zu finden, die alle Zweige und Eventualitäten nachbilden ist nicht sinnvoll umsetzbar, weil zu viele Informationen geschätzt werden müssen und je weiter in die Zukunft geplant werden muss, desto unwägbarer sind Zahlenwerte hierfür.

Deshalb ist es bessser, hier mit einfachen Modellen zu arbeiten, die sich gut anwenden lassen, aber auch nur Teile von Entscheidungsprozessen vereinfachen.

Ein Beispiel hierfür ist das Baysean updating. Experten wissen einiges, sind aber nicht perfekt - vor allem wegen unvollständiger Information. Mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsrechnung läßt sich berechnen, was der Beitrag der Experten sein kann und ob sie nützlich sind. Hierzu werden gut testbare Annahmen gut ausformuliert und am Markt getestet in einzelnen Entscheidungsstufen. Die Kosten für den Test werden möglichst niedrig gehalten. Anschließend weiß man z.B., welches für Kunden das wichtigstes Feature ist und kann dies zuerst entwickeln (Minimal Viable Product) - die anderen erst später.

Oliver ist Karlsruher Wirtschaftingenieur und hat diese über Wettbewerb in Netzwerken in den USA promoviert, an der UC Berkeley nahe am Silicon Valley, zu Zeiten des dot-com Booms. In Deutschland wird solche Forschung meist im Unternehmen gemacht. In den USA gibt es neben dieser Forschung in Unternehmen auch noch sogenanntes Venture Capital. Die Investoren erwarten nicht, dass alle unterstützten Ideen am Ende Profit bringen - man weiß, dass die meisten Ideen zu nichts führen. Es reichen im Verlauf einiger Jahre nur wenige durchschlagende Ideen mit einem riesigen Profit, um das System interessant zu machen. Kurz gesagt gibt es damit einen Marktplatz für Ideen. Heute gibt es das auch als sogenannte Gründerszene in Deutschland (besonders in Berlin) aber noch längst nicht in dem Umfang wie in den USA.

Das Gespräch dreht sich in weiten Kreisen und behandelt neben Mathematik und ökonomischen Entscheidungen auch interessante Beispiele aus 30 Jahren. Außerdem verlieren sie sich in unterschiedlichsten Fragen rings um neue Techniken, die auch einbeziehen, wie sich die Rolle von Autos für die Gesellschaft ändert und ändern muss und wie der rechtliche Rahmen für den Austausch von Informationen zwischen Fahrzeugen geregelt werden müsste. Es ist eine schreckliche Vorstellung, wenn Autos für Hackerangriffe anfällig sind. Anscheinend ist es aber nach wie vor so, dass wir eher bereit sind, mit menschlichen Fehlern zu leben als mit Fehlern, die Algorithmen machen, obwohl autonom fahrende Fahrzeuge wohl viele Tote und verletzte Personen vermeiden könnten.


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