Der Dreierpack: Drei Tage Koalitionsausschuss • Charles III. in Deutschland • Tarifverhandlungen in Runde 3

F.A.Z. Frühdenker - Die Nachrichten am Morgen

Wie lang hält der neue Frieden in der Ampelkoalition?

In Tag- und Nachtsitzungen haben sich die Regierungsparteien bis zum Dienstagabend durch ihre vielen Konflikte gefräst. Ab heute muss sich zeigen, wie weit die nach dem Koalitionsausschuss-Marathon zur Schau gestellte Einigkeit im politischen Alltag trägt.

„Wir sind hoch zufrieden“: Die drei Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP haben die vermutlich längste Sitzung eines Koalitionsausschusses, die es je gegeben hat, am Dienstagabend mit vielen lobenden Worten und großen Ankündigungen abgeschlossen. „Wir sind hoch zufrieden“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil am Ende der am Sonntagabend begonnenen und mehrfach wegen anderer Regierungstermine unterbrochenen Gespräche. Die Koalitionspartner hätten sich darauf geeinigt, wie sie gleichzeitig die Bahn und die Straße stärken sowie den Ausbau von Wind- und Solarenergie schneller voranbringen wollten.

„Der Ton war ruppig“: Wie lange der mit vielen Kompromissen erreichte neue Koalitionsfrieden hält, ist angesichts der vorangegangenen Anfeindungen fraglich. „Der Ton war ruppig in den vergangenen Wochen“, räumte Grünen-Parteichefin Ricarda Lang nach den Tag- und Nachtgesprächen im Kanzleramt ein. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner behauptete: „Es hat Freude gemacht, sich intensiv auszutauschen.“

Künftig jeden Monat? Vor allem FDP und Grüne waren sich zuletzt häufig uneins gewesen, in der Verkehrspolitik genauso wie in der Heizungsfrage. Jetzt sind die Grundzüge des künftigen Regierungshandelns offenbar festgelegt. Für alle Details reichte aber nicht einmal die Marathonsitzung von Berlin. Man ahnt, dass es wieder Gesprächsbedarf geben könnte, wenn es an die Einzelheiten geht. Halb im Scherz sagte FDP-Chef Lindner: Wenn solche Durchbrüche zu erreichen seien, „dann sollten wir künftig jeden Monat drei Tage in Klausur gehen.“

Was die Regierung jetzt mit Heizungen, LKW-Maut und Tankstellen vorhat

Der Einbau von neuen Gasheizungen bleibt erlaubt, der Ausbau des Bahnnetzes wird mit einer Erhöhung der LKW-Maut finanziert und an jeder Tankstelle soll es mindestens eine Ladesäule für Elektroautos geben: die wichtigsten Beschlüsse des Koalitionsausschusses im Überblick.

Gasheizungen: Die Wärmewende soll technologieoffen gestaltet werden. Das heißt nach den Worten von FDP-Chef Christian Lindner, dass der Einbau von neuen Gasheizungen auch in Zukunft erlaubt bleibt, sofern sie „Wasserstoff-ready“ sind. Die Anlagen müssen dafür technisch so ausgestattet sein, dass sie nicht nur mit Erdgas, sondern auch mit Wasserstoff betrieben werden können, sobald es eine geeignete Netzinfrastruktur gibt. Eine Ausbaupflicht für alte Anlagen werde es nicht geben, versprach Lindner.

LKW-Maut: Bis 2027 sollen 45 Milliarden Euro für den Ausbau des Schienennetzes in Deutschland investiert werden. Das Geld soll zum Teil durch eine Erhöhung der LKW-Maut eingenommen werden. Auch das Autobahnnetz soll in den kommenden Jahren noch ausgebaut werden. Die Koalitionsparteien haben sich dafür auf rund 140 Bauprojekte von „übergeordnetem gesellschaftlichen Interesse“ verständigt. Außerdem sollen alle Straßenbauprojekte mit dem Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen verknüpft werden.

Ladesäulen: An jeder größeren Tankstelle in Deutschland soll es in Zukunft verpflichtend mindestens eine Ladesäule für Elektroautos geben. Für die Erzeugung von mehr Wind- und Sonnenstrom, der für die Verkehrswende genauso wie für die Wärmewende gebraucht wird, soll es schnellere Planungsverfahren und Erleichterungen bei den Naturschutzauflagen geben.

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König Charles III. kommt nach Deutschland

Der britische König reist nach Berlin und Hamburg- Es ist der erste offizielle Staatsbesuch von Charles III. im Ausland, seit er das Erbe seiner Mutter Elisabeth angetreten hat.

Empfang: Heute empfängt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den britischen König und seine Frau Camilla zunächst mit militärischen Ehren am Brandenburger Tor in Berlin. Später gibt es ein gemeinsames Abendessen im Schloss Bellevue. Am Donnerstag will Charles einen Biobauernhof und eine deutsch-britische Pioniereinheit in Brandenburg besuchen, außerdem wird er im Bundestag eine Rede halten.

Programm: Der Deutschland-Besuch des britischen Königspaars endet am Freitag in Hamburg. Dort will sich Charles III. unter anderem im Hafen über Projekte der Wasserstoff-Wirtschaft informieren. Der König kennt Deutschland schon von vielen früheren Reisen, er war seit Kindheit und Jugend Dutzende Male zu Besuch.

Premiere: Der Besuch ist schon lange geplant. Ursprünglich sollte der neue König seinen ersten Auslandsbesuch aber nicht Deutschland abstatten, sondern Frankreich - und zwar schon am vergangenen Wochenende. Wegen der Streiks und Proteste gegen die Rentenreform von Präsident Macron ist dieser Besuch dann aber kurzfristig abgesagt worden, so dass die Deutschlandreise für Charles III. der erste Staatsbesuch im Ausland als König ist.

Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst gehen in ihre entscheidende Phase

Am Montag legte ein Warnstreik noch den Verkehr in Deutschland lahm. Heute könnten sich die Gewerkschaften mit den Arbeitgebern auf einen neuen Tarifvertrag einigen. Es geht um die Löhne und Gehälter von rund 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Das Geld: Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Beamtenbund fordern 10,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Die Arbeitgeber haben eine Erhöhung in zwei Schritten um fünf Prozent und steuerfreie Einmalzahlungen von 2500 Euro angeboten - allerdings gestreckt auf 27 Monate, während die Gewerkschaften eine Laufzeit des Tarifvertrages von zwölf Monaten anstreben.

Die Verhandlungen: Die Spitzen der Tarifpartner verhandeln seit Monat in einem Konferenzhotel in Potsdam. Heute ist der letzte von drei angesetzten Tagen in dieser dritten und planmäßig letzten ordentlichen Verhandlungsrunde. Ob es zu einer Einigung kommt, ist nicht ausgemacht. Die Verhandlungen könnten in die Verlängerung gehen oder auch abgebrochen werden. Dann würde automatisch eine Schlichtungsrunde folgen.

Der Streik: Die Gewerkschaften hatten die Tarifrunde am Montag mit einem großen Warnstreik begonnen, der den Verkehr in weiten Teilen Deutschlands lahmgelegt hat. Dafür hatten sie sich mit der Eisenbahnergewerkschaft EVG zusammengetan, die zurzeit ebenfalls Tarifgespräche führt.

Ein Zwölf-Milliarden-Euro-Paket für die Ukraine

Deutschland stellt zusätzlich rund 12 Milliarden Euro bereit, um die Ukraine im Kampf gegen Russland zu unterstützen. Mit dem Geld sollen Munition und militärisches Material für die ukrainischen Streitkräfte bezahlt werden.

Bundeswehr: Der Haushaltsausschuss des Bundestags soll die zusätzlichen Ausgaben heute beschließen, wie die F.A.Z. aus Kreisen der Regierungskoalition erfahren hat. Es geht um 3,2 Milliarden Euro in diesem Jahr und eine weitere Unterstützung für die Ukraine in den Folgejahren von 8,8 Milliarden Euro. Das Geld ist für künftige Lieferungen an die Ukraine sowie für die Wiederbeschaffung von Material vorgesehen, das die Bundeswehr schon an die Ukraine abgegeben hat.

Raketen: Im einzelnen geht es den Vorlagen zufolge um Material für die Luftverteidigung, um gepanzerte Kettenfahrzeuge sowie um Munition für die von Deutschland gelieferten Waffensysteme. Die Bundeswehr soll zudem Patriot-Lenkflugkörper und Stinger-Lenkflugabwehrraketen wiederbeschaffen.

Kampfboote: Viel Geld wird es auch kosten, die Zukunftspläne der deutschen Marine zu verwirklichen. Derzeit seien die russischen Seestreitkräfte in der Ostsee teilweise besser ausgerüstet als die deutschen, sagte Marineinspekteur Jan Kaack der F.A.Z. Deshalb sei ein Modernisierungsschub mit Hightech-Kampfbooten und unbemannten Unterwasserfahrzeugen nötig. Dafür müsse Deutschland seine Verteidigungsausgaben dauerhaft auf 2 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt erhöhen.“

So sollen die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen

Eine Erhöhung der Beitragssätze soll jährlich 6,6 Milliarden Euro zusätzlich in die Pflegekasse bringen. Für Kinderlose soll der Beitrag stärker steigen als für Beitragszahler mit Kindern.

Unternehmen und ihre Beschäftigten sollen künftig rund 6,6 Milliarden Euro im Jahr zusätzlich in die Pflegeversicherung einzahlen. So sieht es ein Gesetzentwurf vor, den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach heute dem Kabinett vorlegen will. Das bedeutet rein rechnerisch, dass die Beiträge im Durchschnitt um 0,4 Prozentpunkte steigen sollen. Das häusliche Pflegegeld soll um 5 Prozent erhöht werden.

Der Entwurf, der der F.A.Z. vorliegt, sieht für Eltern eine geringere Erhöhung der Beiträge als für Kinderlose vor. Bisher gibt es zwei Beitragsstufen. Für Beitragszahler mit Kindern sind es 3,05 Prozent, für Kinderlose 3,5 Prozent vom Bruttolohn. Das Bundesverfassungsgericht hatte angemahnt, dass die Beiträge den Erziehungsaufwand von Eltern stärker als bisher berücksichtigen sollen.

Deshalb soll es künftig eine Staffelung mit sechs verschiedenen Stufen geben. Die Abgaben für Kinderlose sollen auf 4 Prozent des Bruttolohns steigen, für Eltern mit einem Kind auf 3,4 Prozent. Bei zwei Kindern sind es künftig 3,25 Prozent, bei dreien 3,1 Prozent. Wer vier oder mehr Kinder hat, zahlt künftig weniger als bisher in die Pflegeversicherung ein. Die Arbeitgeber kritisieren den mit dieser Staffelung verbundenen Aufwand als untragbar.

Sehr betonter TextVerletzen staatliche Klimaversäumnisse die Menschenrechte?

Am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beginnt ein Verfahren zum möglichen staatlichen Versagen gegenüber dem Klimawandel. Geklagt haben Seniorinnen aus der Schweiz.

Schnapszahl: Eine Gruppe älterer Frauen aus der Schweiz - sie nennen sich Klimaseniorinnen - hat beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage eingereicht. Sie sehen sich durch mangelnde Klimaschutzmaßnahmen in ihren Rechten auf Leben sowie Privat- und Familienleben verletzt. Ältere Frauen seien durch extreme Hitzewellen besonders stark gefährdet. Greenpeace hat die Klage der Seniorinnen initiiert. Heute beginnt in Straßburg der Prozess; es ist der erste Fall dieser Art vor diesem Gerichtshof.

In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht schon vor bald zwei Jahren einer Verfassungsbeschwerde von Klimaschützern in Teilen stattgegeben. Die Richter erklärten, das Klimaschutzgesetz greife zu kurz und legten der Bundesregierung Nachbesserungen auf, vor allem ausreichende Vorgaben für die Emissionsminderung ab dem Jahr 2031. Damals waren die Kläger junge Menschen, die argumentierten, dass ihre Freiheitsrechte absehbar eingeschränkt würden, wenn wegen der heute fehlenden Vorgaben in der Zukunft kurzfristige drastische Maßnahmen nötig seien, um den Klimawandel aufzuhalten.

In der F.A.Z. von heute verrät die für Klimapolitik zuständige Staatssekretärin im Auswärtigen Amt, Jennifer Morgan, wie sie die deutschen Anstrengungen gegen den Klimawandel einordnet: Andere Länder seien im manchen Belangen schneller. Als Beispiel nennt Morgan Chile, China und Indien. Den Ausstieg aus der Atomkraft verteidigt sie. Die dezentrale Energieversorgung, die Deutschland nun aufbaue, sei weniger riskant und etwa für viele Entwicklungsländer „inspirierend“.

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Eine Produktion von ella Verlag und Medien GmbH für F.A.Z.
Host: Tobias Altehenger